Die geplante ZUE wird den Haushalt entlasten. Zum Erfolg wird sie aber nur unter bestimmten
Bedingungen.
In einer Welt, die von Konflikten und Krisen geprägt ist, müssen wir uns darauf einstellen, dass
Menschen flüchten und Schutz suchen. Zwischen Januar und Juni 2024 stellten im Schnitt jede Woche
rund 1000 Menschen einen Erstantrag auf Asyl in Nordrhein-Westfalen. Weniger als im Vorjahr und
nur weniger als halb so viele wie im Jahr 2016, aber genug um Städte und Kommunen vor große
Herausforderungen zu stellen.
Zentrale Unterbringungseinrichtungen (ZUEs) sollen den Schutzsuchenden eine angemessene
Erstaufnahme ermöglichen, bevor sich entscheidet, ob und wo sie vorerst in Deutschland bleiben
können.
Im Regierungsbezirk Arnsberg gibt es bereits mehrere ZUEs, unter anderem in Hamm, Möhnesee,
Olpe, Soest, Wickede, Werl, Bochum, Dortmund und Finnentrop. Die Einrichtungen identifizieren,
registrieren und untersuchen Asylbewerber medizinisch, bevor sie an die Kommunen weitergeleitet
oder zurückgewiesen werden. Der Aufenthalt in einer ZUE variiert – von wenigen Wochen bis zu
mehreren Monaten. Für Erwachsene ist ein maximaler Aufenthalt von 18 Monaten vorgesehen, für
Familien maximal sechs Monate.
ZUE in Selm soll im November öffnen
Auch in Selm entsteht eine solche ZUE, eröffnen soll sie bereits am 1. November 2024. In der
Ratssitzung vom 16. August hatten – neben den anderen Fraktionen – auch unsere Ratsmitglieder
von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Einrichtung der ZUE grundsätzlich zugestimmt. Unsere
Fraktions-Vorsitzende Christina Grave-Leismann sagt zu ihrer Entscheidung: „In Anbetracht der
finanziellen Lage von Selm ist dies wohl die pragmatischste Lösung, da das Land die gesamten Kosten
für die Unterbringung trägt. Gäbe es keine Landeseinrichtung, bekäme Selm eine ähnliche Anzahl
Geflüchteter zugewiesen und müsste die Kosten für Unterbringung und Versorgung selbst tragen.
Auch für Schul- und Kitaplätze hätte Selm sorgen müssen.“
Es sei fraglich, ob die Stadt das überhaupt hätte leisten können. Mit der ZUE muss Selm selbst nun
nicht für die Geflüchteten sorgen, die Bewohner*innen der Einrichtung werden 1:1 auf die
Aufnahmequote der Stadt angerechnet.
„Trotzdem bleibt die Frage: Ist die beste Lösung für Selm auch die beste Lösung für die
Geflüchteten?“, sagt Grave-Leismann. Schwierig sei etwa, dass die Stadt wenig Einfluss auf die
Situation innerhalb der Einrichtung habe, wenn es beispielsweise um die Betreuung und Verpflegung
der Menschen geht. „Hier wollen wir als Fraktion und Partei möglichst viel erfahren und werden das
Ganze kritisch begleiten“, betont die Fraktionsvorsitzende.
Dass es auch aus der Bevölkerung noch offene Fragen und Bedenken zur Umsetzung der Einrichtung
gibt, zeigte sich auch auf der Bürgerversammlung, die die Stadt am 4. September einberufen hatte.
Hier wurden die aktuellen Pläne den Selmer*innen vorgestellt und Fragen der Bürger*innen
beantwortet (das ganze Protokoll mit allen Fragen und Antworten findet ihr auf unserer Seite).
Das plant das Land für die ZUE
In der Runde stellten sich neben dem Bürgermeister auch Vertreter des Landes und der Polizei den
Fragen aus der Bevölkerung. Sie berichteten unter anderem, dass eine Mietdauer von drei Jahren
geplant sei. Die Einrichtung soll bis zu 300 Plätze bieten – und ist damit deutlich kleiner als die
Notunterkunft in Bork, in der bis zu 900 Menschen Platz fanden.
Ankommen werden in der ZUE laut Landes-Vertretern verschiedene Menschen: Familien, aber
durchaus auch alleinreisende Männer. Es sei geplant, die Bewohner*innen so zusammenzustellen,
dass möglichst wenig Konfliktpotential zu erwarten ist – hier waren einige Selmer*innen durchaus
skeptisch. Ob und wie das gelingt, muss sich zeigen.
Die geplante ZUE in Selm soll außerdem verschiedene Angebote bereitstellen. Unter anderem:
▪ eine Leichtbauhalle für Freizeitaktivitäten (noch im Bau)
▪ schulnahe Angebote für Kinder (nicht in kommunalen Schulen)
▪ Integrationskurse
▪ eine Kinderspielstube
▪ eine Sanitätsstation/Arztpraxis
▪ Möglichkeiten zur gemeinnützigen Arbeit
▪ psychologische Beratungsangebote
Allerdings sei noch unklar, welche der Angebote tatsächlich Realität werden. Das erklärte ein Vetreter
des Landes. OV-Sprecherin Lara Malberger meint hierzu: „Das klingt alles nett, wichtig wäre aber, dass
möglichst viele Maßnahmen auch wirklich umgesetzt werden. Kurse und insbesondere Angebote für
Kinder könnten das Ankommen für die Menschen massiv erleichtern – und so auch Konflikte
vorbeugen. Auch eine psychologische Beratung wäre wichtig.“ Wir Selmer Grüne werden uns deshalb
regelmäßig nach den geplanten Angeboten erkundigen und ihre Umsetzung einfordern.
Lokale Einrichtungen werden bei Ausschreibungen nicht bevorzugt: Ein Fehler?
Aktuell laufen auch die Ausschreibungen für verschiedene Dienstleister noch, die sich etwa um die
medizinische Versorgung, die soziale Betreuung und das Essen kümmern. In der Runde am 4.
September kam hier unter anderem die Frage auf, ob es möglich sei, etwa das lokale Deutsche Rote
Kreuz bei einer solchen Ausschreibung bevorzugt zu berücksichtigen. »Nein«, lautete die Antwort der
Verantwortlichen, gesetzliche Regelungen würden eine solche Bevorzugung verhindern.
Sowohl Fraktionsvorsitzende Grave-Leismann, als auch die Sprecherin unseres Ortsverbandes, Lara
Malberger, sehen das kritisch. „Lokale Einrichtungen kennen die Situation vor Ort am besten, sie
wissen über die Bedenken und Sorgen von Bürgerinnen und Bürgern Bescheid. Wir glauben es wäre
ein Gewinn, wenn sie dieses Wissen vor Ort in der ZUE einbringen könnten und dafür auch vergütet
werden“, sagt Malberger.
Runde Tische sollen für Austausch sorgen, Ehrenamtliche für den Rest
Für einen Austausch zwischen ZUE-Verantwortlichen und Selmer*innen soll es runde Tische mit
Verwaltung, Feuerwehr und Polizei geben, in denen mögliche Probleme besprochen werden. Ein
Umfeldmanagement soll zudem als Ansprechpartner für Nachbarn dienen und Fragen, aber auch
Ängste und Sorgen aus der unmittelbaren Umgebung aufgreifen. Ehrenamtliche Angebote wie
Strickkurse oder Sprachunterricht sind ebenfalls geplant – hier sind alle Selmer*innen gefragt: Wer
sich engagieren möchte, kann sich bei den Asylkreisen im Umkreis melden oder direkt bei der Stadt –
Ansprechpartner ist Herr Eikemper.
Lara Malberger betont: „Ich finde es gut, dass sich schon jetzt viele Menschen ehrenamtlich
einbringen, etwa in den Asylkreisen. Viele von ihnen waren auch auf dem Infoabend anwesend.
Allerdings scheint es auch so, dass viel Verantwortung ans Ehrenamt abgegeben werden soll. Uns ist
es wichtig, dass es hier sowohl für Ehrenamtliche als auch für die Geflüchteten die nötige
Unterstützung seitens des Landes gibt.“
Zur Kommunikationsstrategie von Stadt und Land sagt Malberger: „Es ging viel darum, wie die
geflüchteten Menschen ‚uns‘ möglichst wenig belasten können und wenig darum, dass es sich um
schutzsuchende Menschen handelt.“ Das sei in Blick auf die gesellschaftliche Stimmung und die
Ängste in der Bevölkerung, die sich teilweise auch in der Fragerunde zeigten, zwar durchaus
verständlich. „Ebenso wichtig wäre es jedoch, mehr Verständnis füreinander zu schaffen und daran zu
arbeiten, wie das Miteinander für beide Seiten gut gelingen kann. Die vielen Ehrenamtlichen zeigen,
dass das möglich ist.“
In den nächsten Monaten wollen wir als Bündnis 90/die Grünen daran mitwirken, dass genau dieses
Miteinander gelingt, dass Bedenken aus der Bevölkerung ernstgenommen und angegangen werden
und vor allem, dass Schutzsuchende in Selm menschenwürdig aufgenommen werden. Gemeinsam
können wir einen wichtigen Beitrag leisten!
Hier geht es zum Download für weitere Informationen zum Infoabend für die ZUE vom 04.09.2024. Ihr findet den Mitschrieb unter „Sonstiges“.