Hohe Kita-Gebühren für Geschwisterkinder? Ohne uns!

9. Dezember 2024

Ein Antrag der Stadt, der am vergangenen Dienstag im Jugendhilfe-Ausschuss eingebracht wurde, sorgt bei Selmer Eltern für Aufruhr: Die Stadt plant, die Elternbeiträge für die Kinderbetreuung ab August 2025 deutlich zu erhöhen. Ein Vorhaben, dass wir als Bündnis 90/Die Grünen entschieden ablehnen!

Auch viele Selmer wehren sich gegen die Erhöhung: Schnell machte eine Petition die Runde, die sich gegen das Vorhaben positioniert – mittlerweile haben sie fast 1.200 Menschen unterschrieben (die Petition findest du hier). Auch zwei Demonstrationen sind geplant: Wenn der Vorschlag am 12. und 19. Dezember weiter im Bürgerhaus diskutiert und abgestimmt wird, soll protestiert werden.

Doch was sieht der Antrag vor, der die Eltern so aufwühlt? Sollte die Satzung wie beantragt geändert werden, würde das unter anderem folgendes bedeuten:

Die Elternbeiträge für die Kinderbetreuung in Kindertagesstätten sowie der Tagespflege sollen ab August 2025 um 4,5% erhöht werden. Anschließend sollen sie jedes Jahr um 3% steigen.
Ein Paragraph, der bisher regelte, dass Kinder in der Tagespflege auch unter 2 Jahren den geringeren Beitrag der 2- bis 6-jährigen zahlen müssen, soll in der Neufassung der Satzung gestrichen werden. Das bedeutet: Für U2-Kinder, die Tageseltern besuchen, würden sich die Beiträge teilweise mehr als verdoppeln.
In der OGS sollen die Beiträge um 3% angehoben werden und ebenfalls jährlich steigen.
Besonders Familien, die mehr als ein Kind in eine Kita oder OGS schicken, sollen in Zukunft deutlich mehr zahlen: Geschwisterkinder waren bisher beitragsfrei, ab August 2025 sollen sie stattdessen 50% der vollen Beiträge zahlen.
Auch die Streichung eines Paragrafen in der Kita-Satzung, demzufolge Kinder nichts zahlen müssen, deren Geschwister aufgrund ihres Alters beitragsbefreit sind (2 Jahre vor der Einschulung ist und bleibt die Kita nach Landesgesetz gebührenfrei), könnte für Eltern mit mehreren Kindern in der Tagesbetreuung massive Mehrkosten verursachen. Hier ist die Satzung derzeit allerdings noch etwas unpräzise.
Die vollständigen Anträge zur Beitragserhöhung findest du hier zum Download.

Was die Änderungen für Eltern bedeuten können – ein Beispiel

Welche Mehrausgaben die Erhöhung für Eltern bedeuten kann, kommt dabei auf die jeweilige Konstellation an. Wie drastisch sich die neue Satzung im Ernstfall auswirken könnte, zeigt beispielhaft das folgende Szenario.

Angenommen, Eltern mit einem Haushaltseinkommen von 50.000 Euro im Jahr schicken ihre 2 Kinder im Alter von 0 bis 2 Jahren zu einer Tagesmutter. Das kostet sie der aktuellen Satzung zufolge 202 Euro im Monat.

Die neue Fassung sieht vor, dass Tageseltern nun so viel kosten wie Kitas und Geschwisterkinder zudem 50% zahlen sollen. Das heißt: Die Familie müsste insgesamt 444,13€ für das erste Kind, sowie 222,06 € ‎ für das 50% ermäßigte Kind zahlen. Insgesamt 666,19 €. In diesem Beispiel hätte die Familie Mehrausgaben von 464 Euro im Monat zu stemmen. Für Familien, die vielleicht sogar Kredite abzahlen müssen und langfristig ihre Finanzen geplant haben, ist eine so drastische Erhöhung, die noch dazu sehr kurzfristig umgesetzt werden soll, kaum zu stemmen.

Die Stadt begründet die Erhöhung damit, dass die Kosten für die Betreuung ansteigen – dies ist ebenso ein Fakt, wie das Loch im Selmer Haushalt. Wir finden: Es kann nicht die Lösung sein, dass Familien das ausbaden müssen. Dafür gibt es vielfältige Gründe.

Selm will attraktiv für Familien sein – ist es so aber nicht!

Neubaugebiete sollen Selm für junge Familien attraktiv machen. Doch Wohnraum allein kann das nicht leisten. Auch die Bedingungen für die Kinderbetreuung sind ein wichtiger Punkt für Eltern. Mit der Erhöhung würde sich Selm von anderen Städten im Kreis Unna und Kreis Coesfeld abgrenzen – und zwar im negativen Sinne.

Während in vielen Städten im Kreis Unna Geschwister nach wie vor kostenfrei zur Kita gehen können, zahlen sie der Beitragssatzung Coesfelds zufolge immerhin nur 25% des Gesamtbeitrags. Auch die Gebühren im U2-Bereich sind in Selm deutlich höher als in vielen umliegenden Städten.

Dass Familien mehr Hilfen und Entlastungen brauchen, statt zusätzlicher Belastungen, zeigt nicht zuletzt die steigende Zahl an Kindeswohlgefährdungen, die das Selmer Jugendamt beschäftigen (hier berichteten die Ruhr Nachrichten).

Statt 90.000 Euro in eine Image-Kampagne zu investieren, die Selm als familienfreundlich anpreisen soll, sollte die Stadt das Geld nutzen, um tatsächlich familienfreundlicher zu werden.

Kita-Gebühren steigen, Leistungen für Eltern nicht

Zwar stimmt es, dass die Kosten für Kitas steigen – doch gilt das umgekehrt nicht für die Zuschüsse für Familien. Das Elterngeld wurde beispielsweise seit seiner Einführung nicht mehr erhöht.

Das Kindergeld wurde zwar im letzten Jahr angehoben, um die höheren Gebühren zu kompensieren, reicht aber auch das nicht. Ganz abgesehen davon, dass auch die Lebenshaltungskosten angestiegen sind.

Hohe Kita-Gebühren und Fachkräftemangel gehen Hand in Hand

Wenn Eltern mit hunderten Euro Mehrausgaben im Monat rechnen müssen und ein Elternteil im Zweifel nur arbeiten geht, um die Kita-Gebühren zu finanzieren, kann das Anreize schaffen, die Kinder selbst zu betreuen, statt arbeiten zu gehen.

In vielen Familien ist nach wie vor der Mann Hauptverdiener, was dazu führt, dass Frauen häufiger zuhause bleiben, um die Sorgearbeit zu übernehmen. Gleichzeitig sind sie häufiger in den Bereichen tätig, in denen dringend Fachkräfte benötigt werden – zum Beispiel in Kitas.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht anders!

Es müssen Lösungen her – nicht nur von der Stadt

Trotzdem muss die Stadt eine Lösung für die steigenden Kosten finden. Wir fordern, dass eine Erhöhung, wenn überhaupt, nur moderat passieren darf – und zwar so, dass Familien sie sich leisten können. Dafür muss die Stadt Mittel aus dem Haushalt umschichten – wie etwa das oben genannte Marketing-Budget. Hier gilt es weiter zu prüfen, wie die Gebühren möglichst niedrig gehalten werden können.

Aber auch Land und Bund müssen dabei helfen, die steigenden Kosten zu kompensieren. Ein neues Kita-Gesetz sieht ab 2025 vor, dass der Bund die Länder mit vier Milliarden Euro dabei unterstützt, die Qualität in der Kindertagesbetreuung weiter zu verbessern. Allerdings legt es auch fest, dass diese Bundesmittel nicht mehr verwendet werden dürfen, um Kita-Gebühren zu senken (die Eckpunkte des Gesetzes finden sich hier). Stattdessen sollen diese aktiv in die Verbesserung der Kita-Qualität investiert werden, etwa in die Ausbildung von Fachkräften. Grundsätzlich ein Vorhaben, das wir unterstützenswert finden – denn ohne Fachkräfte und gute Kita-Qualität, bringen auch niedrige Kita-Gebühren wenig. Viele Bundesländer haben die Bundesmittel ohnehin schon so verwendet, NRW zählt allerdings nicht dazu.

Das Land müsste in Zukunft also Landes- stand Bundesmittel aufwenden, um die Gebühren niedrig zu halten. Deshalb ist es wichtig, dass auch im Landeshaushalt umgeschichtet wird, um die Kommunen zu entlasten. Hier muss die Stadt weiter ans Land appellieren.

Vor diesem Hintergrund finden wir es jedoch umso wichtiger, die Gebühren nicht so drastisch wie geplant zu erhöhen: Denn es könnte schwierig werden, in Zukunft eine Absenkung der Gebühren zu erwirken, wenn diese erst einmal erhöht sind. Eine Stabilisierung des aktuellen Niveaus erscheint uns eine deutlich bessere Argumentationsgrundlage.

Selmerinnen und Selmer wehren sich gegen die geplante Erhöhung

Auch Selmer und Selmerinnen finden im Kommentarbereich der Petition deutliche Worte für die Pläne der Stadt:

»Selm schafft Baugebiete, um mehr Grundsteuer reinzubekommen – spart dann aber an Kitaplätzen und Freizeitangeboten für Kinder.«

»Ich befürchte, dass Kinderbetreuung zum Luxusgut wird.«

»Frühkindliche Entwicklung darf keine Frage des Reichtums sein. Die Erhöhung kommt viel zu kurzfristig und zu hoch. Bei diesen Gebühren muss doch ehrlicherweise geplant werden, inwieweit man sich noch Kinder leisten kann.«

Diese Sorgen ernst zu nehmen, ist Aufgabe der Selmer Politik – deshalb werden wir im Rat als Bündnis 90/Die Grünen gegen den Antrag in seiner jetzigen Form stimmen!

Wenn du dich auch für eine familienfreundlichere Stadtpolitik einsetzen willst, dann melde dich bei uns unter – wir freuen uns über alle neuen Mitstreitenden.